DDR

oder 
Das Kapital der Deutungshoheit
oder
Struktur der uneinheitlichen Sichtweise des Erinnerungswesens der DDR



Entlasse die Massen aus Maschinenhalle, Kombinat und Staat
Und halte im Rahmen des Vakuums eine Banane parat
Blühende Passanten ergriffen von Worten voll Kraft
Von Kanzlern, Juristen, Geldschieberlandschaft

Rasch in die Tüte das ganze Pack und auf den Müllhaufen der Geschichte
Stellen mit eignen Leuten besetzt:
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in die Bild
Noch ein notarielles Stöhnen zuletzt
Und bissige Wunden mediokratisch überschrien

Heilig, Geschichte schnell zu beenden
Lässt sich nicht schnell, so mehr es wenden
So trägt man die Schlechten zu Grabe
Und die Guten auf Händen

Kauft für eine Mark 
Den bankrotten Staat
Entlässt unter Eierparolen
Die Ossis von Rügen bis Polen

Und kann am Ende sagen:
Wir sind ein Volk!
Ihr habts gewollt
Ihr habts gewählt,
Ihr seid was ihr sollt!

Ihr ward ein Volk unter Angst
Nun seid ihr frei
Und heilig, so 
Wer half Euch dabei?

Die Ostler hat man belogen
Die Ostler hat man betrogen
Und zum Guten Ende
Erklärt man noch die Wende:

Du Ostler hast unter Angst gelebt und hast Dich befreit
Und wohin wolltest Du denn, wir standen bereit
Wir haben Deine Stützen zerschlagen, 
das Beste genommen und verschärft den Graben

 

PAUSE

 

Immer noch
Weil falsch und weil richtig
Trauen Westler Ossiworten nicht 
Wenn Ostler ihren verflossenen Staat beschreiben

Es zischelt noch ein Wink der persönlichen Mächte
Die in Laboren geistigen Überbaus Karrieren geschmiedet
Und durch Kaderfleiss Karrieren gesiedet
Wie in kleinen Zirkeln
Der Zukunft des Genossen X
Ein sozialistisches Ende bereitet
Weil dieser den Fortschritt bestreitet

Der Wessi im Spiegel erkennt:
Der Ossi hat alles verpennt
Inzwischen ist alles vorbei
Der Ossi ist voll dabei
Warum noch Stochern
Im Einheitsbrei

Im Spiegel der Ossi verwundert erkennt:
Man hat mich betrogen und ich habe den Betrug gewählt
Man hat mir versprochen und zwischen den Zeilen
Stand geschrieben:

Wir reichen Dir die Hand
In unser Räuber-Vater-Land
Geeint zu sein im neuen Sinn
So lege Deine Arbeit hin
So lege deine Hoffnung hin
So wandle Dich nach neuem Sinn

Verzwickte Dialoge die zu keinem Küsschen führen
Und:
Immer noch
Bleibt von den höflichen Runden übrig:
Unverständnis und Misstrauen
Vielleicht da
Lächelnde Kader dementieren im Stillen
Was einst für sie richtig war
Vor immerblinder Geschichtsschreibung 
Die der Sieger diktiert
Sie nimmer lernen
Dass Ihr Denken gefriert

Und viele Akten bleiben verschlossen
Denn vielfach brauchte man noch die Genossen 

Und viele Akten bleiben verschlossen
Denn Vieles ist von dort nach dort geflossen

Und viele Akten müssen nun offen sein
Denn vielfach nützt es zu machen besenrein 



PAUSE

 

Wo
Ein offenes Wort nicht zu fällen ist
Ausser im jeweiligen Herkunftsbereich
Da fallen Parolen bis es Allen reicht
Wiederholung wird zu Wissen
Leg Dich auf das Wendekissen

Und siehe da ein Staat aus Denunzianten und Spähern
Wird zu Opfern und Wordverdrehern

Tiefenschürf im Leichenhaus
Jeder packt die Akte aus
Und jeden Abend im Kuckkasten Knopp
Die Interpretation mit dem Zeigestock

Man schüttle noch an der Elite so wie sie passt
Und befreite die Opfer aus dem Knast
Und immer hebe die Stimme aufs neue Haus
Und immer mache den Kniefall
Vor den neuen Damen und Herren
Bis man es selber ist und hat es gern

Diese Geschichte ist hiermit längst beendet
Weil sich in ihr Alles zur Lüge wendet 
Weil sich wer an die eigene Wahrheit wagt 
Immer doch dem Andren was Falsches sagt